Du spielst als Pianist an Hochzeiten, Geburtstagen, Firmenfesten und
Familienfeiern. Was wollen deine Gäste von dir hören?
Als Barpianist verstehe ich meine Aufgabe darin, die Zuhörer mit einem sorgfältig ausgesuchten Repertoire zu unterhalten. Welche Titel
ich spiele, hängt sehr von den Gästen und der Situation ab. Ich spiele nie genau die gleiche Titelreihenfolge, ich suche die Musikstücke
spontan aus.
Du weisst also nie, welches Stück du als nächstes spielst?
Das ist so. Ich überlege, noch während ich spiele, welcher Song als nächster passen könnte. Manchmal fällt mir spontan ein Titel ein,
häufig genügt ein Blick in die Runde der Gäste und ich weiss, welchen Song ich als nächstes spiele.
Beispiele von Liedern? Stilrichtungen?
Da sind Evergreens wie «Strangers in the night», «Moon river» oder «New York, New york», Songs von Elton John, Whitney Houston, den
Beatles, Abba, aber auch Jazzstandards wie «All of me», «All the things you are» oder «Girl from Ipanema».
Wo erlernt man denn, Barpiano zu spielen? Gibt es dafür Schulen?
Mir ist keine Schule bekannt, wo man das Handwerk des Barpianisten erlernen könnte. Bei mir hat sich das Repertoire aus der
langjährigen Tätigkeit als Tanzmusiker ergeben. Zudem spiele ich Klavier in Jazzformationen und Bigbands, wo ich immer wieder auf neue
Titel stosse. So ergibt sich mit der Zeit eine Sammlung an Songs.
Wie muss man sich das Erlernen eines Musikstücks vorstellen? Kaufst du Noten
und übst diese?
Das ist eher die Ausnahme. Meistens höre ich die Stücke am Radio oder an Konzerten, besorge mir dann die Aufnahmen, setze mir die
Noten selber und übe dann das Stück auf dem Klavier.
Wäre es nicht einfacher, die Noten im Internet zu suchen?
Schon, manchmal findet man diese auch. Nur sind diese häufig nicht von der Qualität, die ich mir vorstelle. Ich habe den Anspruch, Musik
als Pianist möglichst original wiederzugeben. Es liegt mir viel daran, z.B. eine Einleitung so zu spielen, dass die Zuhörer das Musikstück
sofort erkennen.Die Noten selber zu schreiben, hat zudem den Vorteil, dass ich die Songs durch wiederholtes Anhören bereits sehr gut
kenne und so schneller auf dem Klavier umsetzen kann. Zudem kann ich die Noten meinen Klavierschülern anbieten.
An welcher Musikschule unterrichtest du denn?
Ich unterrichte vor allem Erwachsene in meiner eigenen Musikschule in Russikon (www.klavierschule.ch). Daneben habe ich ein kleines
Pensum an der Musikschule Zürcher Oberland (www.mzol.ch), dort sind es Kinder und Jugendliche.
Und wenn Gäste einen Wunsch äussern?
Ich habe ein breites Repertoire mit Jazz, Evergreens, Pop, Balladen, Filmmelodien und Musicals. Da kann ich häufig die Wünsche
erfüllen. Manchmal muss ich dafür einfach etwas tiefer in meinem Notenkoffer graben.
Du spielst ja im Hintergrund, niemand hört dir wirklich zu. Ist das nicht frustrierend?
Diese Frage wird mir häufig gestellt. Als Pianist an einer Hochzeitsfeier oder einem Geburtstag habe ich die Aufgabe, Apéros oder Essen
musikalisch zu untermalen. Es ist somit gegeben, dass die Gäste Gespräche führen. Wir Backgroundpianisten richten uns auf genau
diese Situation aus. Wir erwarten nicht wie ein Konzertpianist, dass uns die Menschen ihre volle Aufmerksamkeit widmen. Es ist bei mir
sogar so, dass ich mich in dieser Rolle sehr wohl fühle. Denn die Gäste hören eben mit einem Ohr doch mit. Die beste Barmusik ist jene,
die während des Spielens nicht aufdringlich ist, in der Spielpause jedoch als fehlend empfunden wird.
Was ist für dich das Schönste an einem Abend als Pianist?
Es sind die Momente, wo Gäste Melodien mitsummen, mit einem Lächeln ihre Freude an der Musik ausdrücken und sich von den
Melodien bewegen lassen. Dann spüre ich, dass sich die Gäste wohl fühlen und mit der Musik mitgehen. Das freut mich am meisten.
Was würdest du als deinen «unique selling point» bezeichnen, was macht dich
speziell?
Ich glaube, es ist die Mischung aus Erfahrung und Repertoire. Es ist das Bewusstsein, dass ich mit meinem Pianospiel eine angenehme
Ambiance «erspiele», dann die Sensibilität für die richtige Auswahl der Lieder und die Freude daran, die Gesellschaft mit meiner Musik in
die richtige festliche Stimmung zu bringen. Da spielt Fingerspitzengefühl mit, das wir Pianist nicht nur fürs Drücken der Tasten brauchen.
Ist es Bedingung, dass vor Ort ein Klavier zur Verfügung gestellt wird?
Es ist natürlich immer schön, wenn ich am Ort ein Klavier oder einen Flügel zur Verfügung habe. Das ist klanglich und auch optisch der
Idealfall. Falls dies nicht möglich ist, stelle ich ein D-Piano zur Verfügung. Das ist ein elektronischer Klavierersatz, der bestens transportiert
und am Ort gestellt werden kann. So bin ich unabhängig und kann an (fast) allen Orten spielen, wo es Strom gibt.
Spielst du an einer Feier auch konzertante Einlagen?
Das ist durchaus möglich. Gerade wenn das Geburtstagskind oder der Jubilar einen Komponisten besonders mag oder sein Lieblingslied
bewusst konzertant hören möchte, mache ich gerne eine solche Einlage. Damit kann man eine besondere Freude machen und dem
Abend einen kleinen Höhepunkt verleihen.
Barpianist als musikalische Herausforderung – Interview mit Michael Thoma